Samstag, 2. Februar 2013

Change of life



Wie ich schon im letzten Eintrag erwähnt habe, hat sich Anfang Januar für mich meine Situation komplett geändert. Es ist unglaublich viel passiert seither und ich habe wieder so viel Neues dazugelernt, dass ich kaum glauben kann, dass es nur ein Monat her ist. Aber am Besten ich fange von vorne an.
Am 10. Januar kam ich von der Südafrikatour zurück und ungefähr um 11 Uhr morgens kam ich bei mir zu Hause in Pretoria an. Ich war immerhin schon ganze 5 Minuten zu Hause, als meine Gastmutter zu mir kam und mir eröffnete, dass sie eine neue Arbeit gefunden habe und sie deshalb umziehen müsse. Neo sei schon zurück nach Rustenburg zu ihrer Grandma gezogen, wo sie jetzt bleiben werde und für mich hätte sie schon AFS angerufen um mir eine neue Gastfamilie zu finden. Nachdem ich dann so langsam zu realisieren begann, was das eigentlich für mich bedeutete, meinte sie dann ganz neben bei, sie hätte auch schon mit ihrer Mutter, also meiner Grandma gesprochen, wenn ich wolle, könne ich auch zu Neo nach Rustenburg ziehen.
Nun stand ich also vor der Entscheidung entweder mit meiner Schwester, die ich eigentlich inzwischen schon ganz gern bekommen hatte, nach Rustenburg zu ziehen oder aber an meiner Schule in Pretoria zu bleiben, dafür aber in eine völlig neue Familie gebracht zu werden. Auf der einen Seite sagte ich mir also, eine neue Familie wäre auf jeden Fall ein, wenn auch nicht ganz leichter, Neuanfang, und ich hatte ja eine Zeitlang immer wieder Probleme mit meiner Familie gehabt, also wäre es vielleicht eine gute Lösung? Und auch dass ich dann unter Umständen eine ganz neue Seite von Südafrika sehen würde. Auf der andern Seite hatte ich mich unterdessen schon sehr an alles gewöhnt, Rustenburg kannte ich auch schon und mir gefiel es auch super dort. Auch wenn mir klar war, dass es bestimmt nicht immer einfach werden würde, das Leben ist ja schon sehr anders in Rustenburg, reizte es mich schon für die zweite Hälfte von meinem Austausch noch das richtige afrikanische Leben kennen zu lernen. Nicht in einem reichen, abgesicherten Suburb und einer hochstehenden Privatschule wie bisher, sondern das ganz einfache Townshipleben und eine öffentliche Schule. Zeit zu entscheiden hatte ich genau zwei Tage, in dieser Zeit redete ich mit meiner Englischlehrerin, meiner Rektorin, meinen Freunden, andern Austauschschülern und natürlich mit meiner Mama in der Schweiz und schlussendlich entschied ich mich für Rustenburg.
Ich mache es jetzt kurz, es gab nämlich noch einiges Hin und Her, bis es wirklich so weit war, aber schlussendlich verliess ich Pretoria dann 5 Tage nachdem ich vom AFS-Trip zurück war wieder, diesmal Richtung Rustenburg, vollgeladen mit einer grossen Tasche und einem noch grösseren Koffer, bei Sonnenuntergang in einem Taxi – und ich fühlte mich wunderbar!
In dem Moment als ich dann in Rustenburg ankam sprangen sofort alle auf, kamen auf mich zugestürmt und hiessen mich so herzlich willkommen, dass ich mich zum allerersten Mal seit ich in Südafrika angekommen bin, so richtig zu hause fühlte. Seit ich hier bin habe ich meine Entscheidung keine Sekunde bereut! Ich kann es kaum glauben, wie die Zeit inzwischen wieder vergangen ist!
Was alles passiert ist, seit ich hier bin:
-          Am Anfang gab es ein Problem mit der Schule, das ist auch der Grund, weshalb ich erst vergangen Dienstag (also 2 Wochen nach meiner Ankunft in Rustenburg) in meiner neuen Schule angefangen habe. Aber dazu später noch mehr.
-          Ich war inzwischen endlich mal in der Mall, welche etwa eine halbe Stunde von hier entfernt ist, da gibt es auch Kinos und ich werde auf jeden Fall so bald wie möglich wieder da hin gehen.
-          Mit meiner Familie waren wir während einem ganzen Sonntag in einer Kirche. Ich war ja sowas von froh, als die nach 8 Stunden dann endlich mal fertig war!!
-          Ich habe schon wieder haufenweise neue Leute kennengelernt, inzwischen kann ich nicht mehr aus dem Haus, ohne dass ich von allen Seiten gerufen werde (wobei es noch peinlich ist, dass ich mir die Hälfte der Gesichter und etwa 90% der Namen nicht merken kann…)
-          Ich habe jetzt angefangen meinen afrikanischen Namen zu benutzen, und die Leute gewöhnen sich langsam auch dran, auch wenn die meisten etwa drei Mal nachfragen ob das wirklich mein Name sei. Seit zweieinhalb Wochen bin ich jetzt „Thato“.
My new room, which I am sharing with Neo

So, nun aber zu meiner neuen Schule. Schlussendlich war es eigentlich so, dass ich die Schule selber ausgesucht habe, AFS die Adresse schickte und 3 Tage später konnte ich dort anfangen. Die Schule kenne ich durch Neo, sie ging da zur Schule bis sie letzes Jahr im Mai nach Pretoria ging. Es ist etwa zwei Minuten von unserem Haus entfernt, in derselben Strasse. Eine öffentliche Schule, „HF Tlou“. Setswana ist dort ein obligatorisches Fach und wird als Muttersprache unterrichtet, Englisch dagegen als erste Fremdsprache, was zur Folge hat, dass ich mich im Englischunterricht ziemlich fehl am Platz fühle: Gestern haben sie die „present simple tense“ angeschaut. Ja, Englisch hier ist sowieso so eine Sache, viel lerne ich hier nicht mehr dazu, vorallem weil ich noch besser Englisch spreche als der grösste Teil der Leute in Rustenburg. Obwohl in der Schule in Englisch unterrichtet wird. Die Lehrer suchen teilweise minutenlang nach dem richtigen Wort und sagen es dann schlussendlich doch in Tswana und die Schreibfehler an der Wandtafel sind schon fast erschreckend. Und von der Aussprache muss ich wohl gar nicht erst anfangen. Oder sollte ich vielleicht erwähnen, dass ich inzwischen auch angefangen habe, beim Taxi benutzen das Wort „three“ als „tree“ auszusprechen, da ich sonst wirklich nicht verstanden werde? Aber ich bin ja nicht zum Englisch lernen hier (naja, offiziell schon..) sondern um die Kultur kennen zu lernen und mein Ziel ist es inzwischen auch, bis im Juni Tswana zu sprechen! And I’m getting there!
Thats the school uniform of HF Tlou
Me and Stalin (the teddy, I got him from Thomas and Alice, my siblings in Switzerland)
In der Schule wurde ich übrigens mehr als herzlich willkommen geheissen und ich bin auch DIE Attraktion da ich seit der Gründung der Schule die erste weisse Schülerin da bin. Und auch wenn die meisten der Schüler nicht den blassesten Schimmer haben wo die Schweiz ist (merkt man daran, dass sie regelmässig fragen, wann ich denn nach „Swasiland“ zurückgehe oder ob ich mit dem Taxi nach Südafrika gekommen sei) sind doch immer alle sehr interessiert wenn ich von unserer schönen, kleinen Schweiz erzähle.
Und jetzt möchte ich noch den Schulalltag beschreiben, denn es ist doch ziemlich anders als in der Schweiz. Vielleicht beginne ich mal mit der Tatsache, dass die Klassen hier grösser sind. Und mit grösser meine ich… ich bin in einer Klasse mit 56 andern Schülern. Ich bin Nummer 57. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Klassenzimmer grösser sind, sondern dass man einfach etwa halb so viel Platz hat wie in der Schweiz. Gut und jetzt stellt euch mal vor wenn in einer Klasse von 57 Schülern alle reden, wie laut es dann wohl ist. Und dazu kommt, dass die Schwarzen grundsätzlich lautere Stimmen haben als Weisse…
Wenn man mal auf die Toilette muss, dann informiert man nicht den Lehrer, sondern verschwindet einfach mal aus dem Klassenzimmer und kommt dann vielleicht eine halbe Stunde später wieder zurück. Das machen die Lehrer übrigens auch, mit dem Unterschied dass sie in den meisten Fällen nicht mehr zurück kommen. Und dann gibt es natürlich noch die Situation, dass zwei Lehrer auf einmal im Zimmer sind und dann diskutieren wessen Stunde es nun ist.
Wenn jemand die Hausaufgaben in Mathematik nicht gemacht hat, wird er vom Lehrer zur Strafe einmal schön stark in den Arm gezwickt „gegen Faulheit“. Und die Geschichtslehrerin mag es, Schüler die verbotenen Kaugummi in ihre Hand spucken zu lassen und ihn dann dem Schüler schön am Hinterkopf in die Haare zu kleben.
Um halb zwölf ist dann Mittag und alle Schüler stürmen los, zum sehr beliebten Tuckshop, wo täglich „Spatlho“ (ich beschreibe es trotzallem nochmals: Brot gefüllt mit Pommes, Fleischkäse, Wurst, Käse, Atchaar und schön viel Sauce) verkauft wird. Tatsächlich gibt es Schüler, die es hinbekommen das jeden Tag zu essen. Deren Figur muss ich ja kaum beschreiben, denke ich. Falls man ein wenig etwas Leichteres möchte, gibt es natürlich auch noch andere Optionen, da wären Pommes, Hot Dogs, Kuchen, Kekse,… Am wenigsten beliebt ist das Pap mit Fleisch und manchmal gibt es dazu sogar noch ein wenig Gemüse… Viele Schüler essen aber auch einfach Chips, Kekse und Süssigkeiten und haben dann zu Hause noch ein richtiges Mittagessen. Dafür dass so ungesundes Essen verkauft wird jeden Tag, hat es aber überraschend wenige wirklich übergewichtige Schüler (auch wenn die Mädchen hier WIRKLICH Kurven haben, und nicht das, was in Europa gerne Kurven genannt wird). Das liegt zum grössten Teil daran, dass es an der Schule nicht wenige Schüler gibt, bei denen das Geld zu Hause eher knapp ist und es daher nicht jeden Tag auch ein Frühstück und Abendessen gibt.
Nach der Schule geht es dann für die meisten nach Hause, an die Hausaufgaben. Und hier muss ich noch erwähnen, dass es sich NICHT empfiehlt einfach quer über den Schulhof loszulaufen, sondern untendurch rundherum, ansonsten wird man nämlich vom oberen Stock her mit Dosen und Abfall beworfen und noch beliebter ist es das dreckige Putzwasser über die armen Schüler zu kippen, die es wagen den Schutz des Gebäudes zu verlassen.
Ich habe übrigens letzten Mittwoch mit dem Basketballtraining begonnen. Sogar der Sport hier ist übrigens anders: umgezogen wird ganz einfach auf dem WC, sowas wie Umkleidekabinen gibt es nicht und Mädchen und Jungs spielen gemischt. Ich habe jetzt schon zweimal trainiert (und spüre auch schon meine Muskeln, die sich nach zwei sportlosen Monaten beschweren) aber bisher haben wir noch nicht richtig Basketball gespielt, sondern bloss Grundschritte angeschaut und viele, viele Sprints gemacht. Es gefällt mir aber super im Basketball. Anscheinend hat das alte Team von letzem Jahr sogar eine Meisterschaft gewonnen. Ich hoffe ja, dass ich dieses Jahr für die Meisterschaft noch hier bin und wir dann  so erfolgreich wie letztes Jahr sein werden! Auf jeden Fall bin ich froh, dass ich doch noch etwas Sport machen kann, weil auf mein regelmässiges Joggen habe ich hier bisher verzichtet, ich werde schon ohne Rennen auf der Strasse genug angestarrt und das Joggen ist ja eigentlich zum entspannen da und das geht nun mal einfach nicht wenn man sich die ganze Zeit fühlt als würde man etwas komplett Falsches machen. Von der Hitze übrigens ganz zu schweigen.
The front gate of the school
On the left you can see the tuckshop where Spatlho, chips, hot dogs and cookies are sold during break time

The school with the Basketball court on the right
Sonst gibt es eigentlich im Moment nichts mehr zu Erwähnen, das wäre so ziemlich alles… Inzwischen bin ich schon ziemlich im neuen Rhythmus. In der Schule habe ich zwar ehrlich gesagt noch keine richtig engen Freunde gefunden, wie auch nach drei Tagen, aber es gibt doch die einen oder andern Leute, die ich schon riesig mag, ein Mädchen habe ich sogar schon zu Hause besucht und meiner Grandma vorgestellt, ein anderes hat mich schon zu ihrer Geburtstagsparty im März eingeladen und alleine bin ich sowieso nie, dafür bin ich einfach zu sehr eine Attraktion. Allerdings wird natürlich auch das vorbei gehen und wenn ich ehrlich bin, freue ich mich schon darauf, es ist einfach unglaublich anstrengend im Minutentakt neue Namen an den Kopf geworfen zu bekommen und immer und immer wieder dieselben Fragen beantworten zu müssen (Austauschschüler kennt man hier eigentlich nicht, deshalb muss ich immer etwa 10 mal erklären wieso ich eine Schwarze meine Schwester nenne und ich trotzdem im Juli wieder in die Schweiz fliegen werde).
Das wäre jetzt aber genug für heute, nur noch etwas fehlt: ich sitze gerade im Wohnzimmer und nebendran läuft wie immer MTV und jetzt gerade kommt mein, mit Abstand, afrikanisches Lieblingslied. Falls ihr also gerade noch Zeit habt und auch ein wenig Afrikafeeling haben möchtet, wo auch immer auf der Welt ihr seid, geht doch ganz kurz auf Youtube und schaut euch das Musikvideo von „Via Orlando“ (Doctor Malinga) an. Ich liebe dieses Lied und der Videoclip zeigt genau den Lifestyle, den ich jetzt erlebe. Die Blechhütten die darin zu sehen sind, nennen wir übrigens „Mukuku“ und ich habe meine Mama in der Schweiz schon vorgewarnt, dass ich unter Umständen bei uns im Garten dann so eines bauen werden will, sie sind einfach zu gemütlich! ;)


1 Kommentar:

  1. Hallo...

    i bi au vo de Schwiiz... wohn abr scho sit füüfehalb jahr da in südafrika... wohn zimli uf em land... in kwazulu natal, zwüsched pietermaritzburg und durban... mir gfallts au sehr guet... eigentlich bin i nur per zuefall uf din blog cho... isch abr schön, vo anderne schwiizer z'läse, wo au in SA sin...
    In han au en blog... africa-switzerland.blogspot.com...
    wünsch dr alles gueti... lg...

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